Netzwerk

Bitte wählen Sie einen Bereich:

Fenster schließen

Qualität

 

Pavle Zagorscak zur Qualität von „Medienhelden”

 

Pavle Zagorscak, M.Sc. Psych.

Pavle Zagorscak, M.Sc. Psych.
Ist Wissenschaftler und Psychologe an der Freien Universität Berlin.
Lehrt und forscht an der Schnittstelle zwischen Psychologie und „Neuen“ Medien.
Hat das Präventionsprogramm „Medienhelden“ mitentwickelt und umgesetzt.

 

Von Cyberaggression bis Cyberkriminalität existieren viele Begriffe! Was meinen wir eigentlich, wenn wir von Cyber-Mobbing sprechen?

Bei absichtlichem Verhalten mit dem Ziel jemandem Schaden zuzufügen, sprechen wir von Aggression. Mobbing ist eine besondere Form von Aggression, da hier ein Individuum oder eine Gruppe ein Machtungleichgewicht ausnutzt, um jemanden wiederholt und über längere Zeit zu schaden.

Das Opfer ist aufgrund dieser Dynamik dabei hilflos und weiß sich nicht zur Wehr zu setzen. Kommen hierbei das Handy oder das Internet zur Anwendung sprechen wir schließlich von Cyber-Mobbing, welches aufgrund der Öffentlichkeit und der potentiellen Anonymität des Täters, aber auch aufgrund der Allgegenwärtigkeit von Handy oder Computer besonders perfide sein kann.

Aggression, Mobbing, Cyber-Mobbing

Quelle: Zagorscak, P. (2010). Cyberbullying: Erfassung eines neuartigen Phänomens. Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Freie Universität Berlin.

Ist Cyber-Mobbing überhaupt ein relevantes Problem unter Jugendlichen?

Wenn man sich die Meinung von einzelnen Schulleitern anhört scheinbar nicht, weil sie vom Ausmaß dieses Phänomens oftmals nicht erfahren.

Befragen wir Schülerinnen und Schüler allerdings anonym, können wir feststellen, das international etwa jeder fünfte in Cyber-Mobbing verwickelt ist, sei es als Täter oder Opfer! Etwa fünf Prozent der SchülerInnen sind sogar in besonders schwerer Art und Weise betroffen und werden mindestens wöchentlich schikaniert.

Öfters hört man über Cyber-Mobbing, Mobbing, Aggression, Gewalterfahrung sie würden einen „stärker machen“, bzw. „da muss man durch“! Was wissen wir über die Folgen?

Weil es an längsschnittlichen Studien noch mangelt, ist keine klare Aussage darüber möglich, was Begleiterscheinungen und was Folgen sind. Klar ist nur, dass Opfer in höherem Maße von Ängsten und Depressionen betroffen sind, sie klagen über Schmerzen oder haben sogar Suizidgedanken.

Auf der Seite der Täter, ergibt sich ein anderes Bild: Sie sind im späteren Lebensverlauf eher gefährdet problematischen Alkohol- oder Drogenkonsum zu entwickeln, kriminell zu werden oder andere aggressive Verhaltensweisen zu zeigen. Das liegt daran, dass sie während der Schulzeit nie gelernt haben andere sinnvolle Strategien für ihre Zielerreichung einzusetzen, als die Aggression. Im späteren Leben stoßen sie damit aber schnell an die Grenzen des Rechtsstaates und kommen im Arbeitsmarkt oder in Partnerschaften nicht zu recht. Doch auch die Schule als Ganzes ist betroffen: Schul- und Klassenklima sind gefährdet und die Sicherheit der Einrichtungen sinkt, weil beispielsweise Opfer mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Waffe mit zur Schule bringen.

Was kann man tun, wenn Cyber-Mobbing aufgetreten ist?

Kriseninterventionsmöglichkeiten reichen über ernste Gespräche mit den Tätern und Unterstützungsangeboten gegenüber den Opfern bis hin zur Anzeige bei Polizei bzw. Staatsanwaltschaft. Wichtig ist, dass im Vorfeld schulweit klare Konsequenzen für bestimmtes Verhalten vorhanden sind, z.B. für Beleidigungen, Schläge oder Tritte, die auch in jedem Fall und von allen KollegInnen durchgesetzt werden. Wir haben hier jedoch immer das Problem, dass der Schaden bereits angerichtet ist.

Opfer haben psychisch und körperlich gelitten und mögliches Material wie Bilder und Videos sind unauslöschlich im Netz auffindbar. Daher sind Kriseninterventionen nur die zweitbeste Lösung.

Was kann man stattdessen unternehmen?

Nach knapp einem Jahrzehnt der Cyber-Mobbing-Forschung wissen wir, welche Bedingungen in Jugendlichen, dem Elternhaus oder der Betreuungseinrichtung dazu führen, dass aggressives Verhalten entsteht. Es gilt an diesen Punkten anzusetzen und frühzeitig Kompetenzen, wie Medienkompetenz oder Fähigkeiten des sozialen Umgangs miteinander zu fördern und einzufordern. So können wir frühzeitig dafür sorgen, dass es erst gar nicht zu problematischen Situationen kommt. Oder dass in Problemfällen die richtigen Schritte unternommen werden und beispielsweise die „Schweigemauer“ zwischen Jugendlichen und Erwachsenen gebrochen wird.

Wie geht das konkret?

Prävention von Cyber-Mobbing ist ein komplexes Unterfangen, weil Maßnahmen auf Schul-/Ausbildung-, Schüler-/Lehrlings- und Elternebene ineinandergreifen müssen und es nicht mit punktuellen Maßnahmen getan ist. Gute Effekte erzielen wir erst, wenn wir intensiver mit den Beteiligten zusammenarbeiten. Um PädagogInnen oder beispielsweise auch Lehrlingsausbildner- und betreuerInnen und anderen Interessierten diese anspruchsvolle Aufgabe zu erleichtern, haben wir „Medienhelden” entwickelt.

Was ist „Medienhelden”?

„Medienhelden” ist ein strukturiertes und manualisiertes Präventionsprogramm. Das heißt, dass PädagogInnen/AusbildnerInnen und interessierten Menschen ein detailliertes Handbuch zur Verfügung gestellt wird, in dem sie Schritt für Schritt Anleitungen erhalten, wie eine zehnwöchige Unterrichtseinheit oder ein Projekttag zu diesem Thema durchgeführt werden können.

Die Unterrichtseinheit oder der Projekttag enthalten theoretisch fundierte und nachweislich wirksame pädagogische oder psychologische Methoden sowie Anleitungen dazu, auf welche Weise das Elternhaus miteinbezogen werden könnte. Begleitend beinhaltet das Handbuch außerdem allgemeines Hintergrundwissen zum Thema Cyber-Mobbing sowie zu gängigen Arten der Onlinekommunikation.

8 Module in der Übersicht

Quelle: Übersetzt aus: Wölfer, R., Schultze-Krumbholz, A., Zagorscak, P., Jäkel, A., Göbel, K., & Scheithauer, H. (2013). Prevention 2.0: Targeting Cyberbullying @ School. Prevention Science. Advance online publication.

Welche Erfahrungen gibt es bisher mit diesem Projekt?

Seit dem Jahr 2010 wird „Medienhelden” an der Freien Universität Berlin entwickelt und erforscht. Wir wissen daher, dass es von SchülerInnen und LehrerInnen gut aufgenommen wird und dass es die Lehrenden für gut umsetzbar halten.

Besonders wichtig ist, dass wir nach wissenschaftlichen Kriterien auch die Wirksamkeit des Programms bezüglich Reduktion von Cyber-Mobbing und der Förderung sozialer Kompetenzen nachweisen konnten.

Wir haben dazu Klassen in denen „Medienhelden” durchgeführt wurde, mit solchen Klassen verglichen, in denen keine Intervention stattgefunden hat. Die Ergebnisse zeigen klar, dass sich „Medienhelden”klassen in allen untersuchten Bereichen positiver entwickelt haben, als die so genannten Kontrollgruppenklassen.

Welches Fazit kann man formulieren?

„Medienhelden” funktioniert und wird sowohl von den SchülerInnen als auch von den PädagogInnen gut angenommen.

Der zeitliche Rahmen ist gut umsetzbar und das Programm erzielt den wissenschaftlich belegten Effekt, den es erzielen soll: die Reduktion von Cyber-Mobbing.

Auf den Punkt gebracht ist „Medienhelden” international gesehen das einzige, Cyber-Mobbing-spezifische Präventionsprogramm mit rigorosem Wirksamkeitsnachweis.